Wer von Deutschland nach Griechenland auswandert, wird schnell mit allerlei skurrilen Sitten und Gebräuchen Bekanntschaft schließen.
Gearbeitet wird hier in Griechenland an allen 7 Tagen der Woche. Nur nicht an Regentagen. Aber sobald die Sonne scheint, geht’s wieder los. Auch an Sonntagen und im Sommer auch in der Nacht, weil es tagsüber zu heiß ist. Arbeit heißt hier auch immer gleich Krach. Motorsägen und Motorsensen sind allgegenwärtig, wenn es gilt, die endlosen Olivenhaine zu pflegen und fliegende Händler preisen auf ihren Fahrten überland ihre Waren an und lassen ihr Mikrophon auch durch die letzte Gasse schallen. Daneben gibt es aber auch Schallquellen, deren Ursprung sich nicht intuitiv ergründen lassen. Nach dem sich nähenden Lärm erwartet man eher, dass tieffliegende türkische Kampfhubschrauber einen gleich unter Beschuss nehmen, stellt dann aber erleichtert fest, dass das laute Knattern nur einem der pubertierenden Rotzbengel zu verdanken ist, der an seinem ärmlichen Moped den Auspuff aufgebohrt hat.
Das stört hier keinen und so kannst auch Du hier schamlos endlich mal Deine Musik wieder in voller Lautstärke genießen. Selbst mitten in der Nacht wird sich niemand beschweren, nur zwischen 14:00 und 17:00 Uhr tagsüber ruht das Leben und es kann sein, dass sich der Nachbar meldet und Dir zu verstehen gibt, dass er gerade etwas Schlaf braucht.
Die Sonntagsarbeit wird auch nicht durch das Gebimmel der Kirchenglocken unterbrochen. Die bimmeln ohnehin in Ihrem eigenen Rhythmus. Es gibt Gebimmel für die Zeit, für Feiertage, für Todesfälle und um die Gläubigen zur Kirche zu rufen. Auch Familienkapellen reihen sich in das Gebimmel ein und in Zeiten, in denen das Personal knapp und teuer ist, funktioniert das ganze elektronisch. Man muss sich das so vorstellen, dass der Pope vor dem Keyboard sitzt und je nach Feiertag das passende Gebimmel anschaltet. So hat jeder Feiertag seine eigenen Töne und es erschallt zu bestimmten Zeiten am frühen Morgen und auch sonst am Tag eine schnell wechselnde Abfolge von unterschiedlichen Glockentönen. So haben Weihnachten, Ostern, Apokries dem griechischen Karneval und natürlich Maria Himmelfahrt ihren eigenen Sound. Da kommt es schon mal vor, dass sich der Pope mit seinem Keyboard vertut und die Gläubigen dann wieder nach Hause schicken muss. Und natürlich fetzt es dann richtig, wenn gleichzeitig oder nacheinander aus verschiedenen Basilikas die Glocken zu läuten beginnen.
Wenn wichtige Feste rufen, trifft sich die ganze Familie im Heimatdorf. Dann kommen alle zusammen, vom Teenager, über die gestressten Manager aus Athen, Chicago und Melbourne bis hin zu denen, die sich sonst außer Haus eigentlich nicht mehr sehen lassen. In deutschen Gemeinden kann mancher Pfarrer von so einem regen Interesse an der Kirche nur träumen. Aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass der Pope in der Regel glücklich verheiratet ist und ansonsten das Olivenöl seiner eigenen Bäume konsumiert, die er auch selber erntet, was man daran sieht, dass er seine schwarze Kutte auch bei der Arbeit im Olivenhain nicht abnimmt. Am 15. August, dem wichtigsten Feiertag überhaupt, treffen sich dann alle Griechen in ihren Heimatdörfern in ihren Kapellen und Kirchen, um ihre Heiligen zu küssen und anschließend tanzt das ganze Dorf einen der über 4000 traditionelle lokalen Tänze, die es in Griechenland gibt. Sowas nennt sich Heimatverbundenheit.
Erwähnen muss ich noch eins der vielen Fettnäpfen, die man unbedingt vermeiden muss. So ist Vorsicht angeraten beim Gestikulieren. Wenn Du Dich also dermaßen über das Kommen des grandiosen Handwerkers freust, der Dir endlich Dein Klo in Gang setzen soll, solltest Du Deinen Enthusiasmus etwas zähmen und ihn nicht gleich eifrig herbeiwinken. Griechen winken nicht mit offener Hand. Die Handfläche mit abgespreizten Fingern zu zeigen, gilt als Beleidigung. Im schlimmsten Fall dreht er dann wieder ab und Du bleibst mit Deinem Problem allein.
Anderer Aberglaube ist leichter zu tolerieren. Man schläft nicht mit dem Kopf zum Meer, aber das weißt Du sicher schon von Deinen Feng-Shui Freunden.
Ein weiteres nicht auf Griechenland beschränktes Phänomen ist der Glaube an den bösen Blick. Hier stehen vor allem neidische und blauäugige Personen im Verdacht, mit dem bösen Blick Schaden anzurichten. Die negativen Auswirkungen machen sich beim Betroffenen unter anderem durch Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel bemerkbar. Davor schützen Matis. Die hübschen Ketten und Armbänder mit dem blauen Auge bewahren Dich vor diesen schlimmen Folgen. Das ist auf jeden Fall billiger als der Gang zum Doktor und gibt’s übrigens in jedem Souvenirladen zu kaufen. Im Zweifelsfall kannst Du auch einfach Lächeln und das fällt hier sowieso viel leichter als daheim.
Sonst hilft auch Spucken, um Unheil abzuwenden. Die Griechen schwören auf das Spucken. Erzählt jemand von etwas Schlechtem, das einer Person widerfahren ist, spuckt dieser dreimal auf den Boden, bzw. macht die entsprechenden Geräusche. Man spuckt immer dreimal auch bei Komplimenten. Wenn jemand einem ein Kompliment zur Schönheit oder Gesundheit macht, spuckt er diese Person dreimal an. Am besten ohne Spucke, wie Du Dir denken kannst. Doch nicht nur das Spucken, auch ein Stück Knoblauch in der Tasche, ein offener Hemdknopf oder ein Strich mit Kohle hinter dem rechten Ohr dabei helfen, Unheil zu vermeiden. Dies liegt daran, dass man versucht, dadurch weniger Neid auf sich zu ziehen, indem man nicht perfekt aussieht und schlecht riecht.
Und wenn Du Dich wunderst, warum auf den Dächern eine Cola Flasche eingemauert wurde, ist das Rätsel ebenso leicht zu lösen. Statt dem Blitzableiter füllt der Grieche heiliges Wasser in die Flasche, mauert sie auf dem First ein und siehe da, das Haus brennt nicht ab. Das gilt zumindest für die Häuser, die noch eine Flasche auf dem Dach haben.
Zur Ehrenrettung der Griechen muss man allerdings schon sagen, dass sie es heutzutage mit der Erdbebensicherheit etwas ernsthafter angehen und auf eine Eisenbeton-fundierte Skelettbauweise vertrauen, die schwer umzustoßen ist. Dafür nimmt man offensichtlich in Kauf, dass auch mangels Geldes oder Motivation nicht fertiggestellte Gebäude nach dem nächsten Beben die Landschaft bereichern werden. Nicht umsonst ist Griechenland die Heimat des Schönen und Geschmackvollen also der Ästhetik, weil sie von alters her ihre Ruinen einfach stehen ließen.
Und wenn wir schon dabei sind, können wir gleich noch mit einem Vorurteil aufräumen: Auch der Grieche trennt Müll. Es gibt grüne und blaue Tonnen. In die blauen Tonnen kommt Papier und Plastik und in die grünen Tonnen der Restmüll. So ist die Logik. Wenn man sich nicht sicher ist, weil man etwas entsorgen muss, was nach deutscher Logik recycle bar wäre, stellt man es neben die am Straßenrand aufgereihten Tonnen. Kaum steigt man wieder ins Auto kommt schon jemand vorbeigefahren und packt die Sachen ein. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie der Dorf Pope im schwarzen Gewand sich höchstpersönlich aus der Tonne bedient und einen ausrangierten Kärcher auf seinen Pick-Up packt.
Griechisches Recycling gibts übrigens auch beim Tierwohl. Kaum zu glauben wieviele durchaus wohlgenährte Katzen die Gegend so bevölkern. Das hängt allerdings auch damit zusammen, dass die ach so tierlieben Ausländer die Katzen versorgen. Es gibt Miau-Stiftungen dessen Erbe zweckgebunden für Tierfutter und Sterilisation verwendet wird und die Mietzen dutzendweise versorgt. Obwohl der Zeugungsfähigkeit entgegengewirkt wird, vermehren sich die Bestände aber immer weiter. Schließlich wissen die Griechen, wo es ihren Katzen gut geht und sorgen fleißig für stetigen Nachschub.
Kennst Du weitere griechische Sitten und Gebräuche? Ich freue mich, wenn Du mir schreibst, unter: robin.cyrnik@audemagna.com